Buchvorstellung "Tödliche Psychopharmaka"

Schon vor längerer Zeit erschien ein Buch, bei dem es den meisten Psychiatern vermutlich schon beim Titel die Nackenhaare aufstellt: „Tödliche Psychopoharmaka und organisiertes Leugnen“ von Peter C. Gotzsche. Was zunächst beinahe unseriös wirkt, stellt sich beim Lesen jedoch als gut fundiertes wenngleich tendenziöses Sachbuch dar. Der Autor ist meines Wissens nach Professor für Studiendesign in Dänemark und hat sich mit der Psychiatrieszene seines Landes ordentlich angelegt. Da Psychopharmaka ja relativ unbeliebte Medikamente bei vielen Patienten sind, spielt dieses Werk den Kritikern und Gegnern ordentlich in die Hände.

Was sind die Kernaussagen des Buches?

Ein wesentliches Element der Kritik von Gotzsche ist das mangelhafte Studiendesign vieler Arzneimittelstudien. Er vertritt die Ansicht dass systematisch die Verblindung der Vergleichsgruppen aufgebrochen wird aufgrund von Absetzphänomenen bzw „Entzugssymptomen“ der Placebogruppe. Tatsächlich werden bei vielen Studien nur relativ kurze Zeiträume zum Ausschleichen gewählt wenn Studienteilnehmer vor der Studie bereits Psychopharmaka eingenommen haben. Da Psychopharmaka oft relativ nebenwirkungsreiche Medikamente sind überwiegt seiner Ansicht nach der Nutzen keinesfalls den Schaden. Man findet in dem Buch auch eine Sammlung von traurigen Anekdoten (überwiegend aus dem USA) in Verbindung mit Psychopharmaka.

Welche Schlüsse kann man aus dem Buch ableiten?

Für mich war die Lektüre zunächst schockierend und nachdenklich stimmend. Wie so oft liegt die Wahrheit vermutlich irgendwo dazwischen. Womit der Autor bestimmt Recht hat, ist seine Kritik an einer überbordenden Verschreibung von Psychopharmaka (die Masse davon vor allem durch Hausärzte). Ich würde ebenfalls auch unterschreiben dass Psychopharmaka per se nicht gesund sind und eben viele potenzielle Nebenwirkungen haben. Allerdings trifft dieser Umstand auch auf viele andere Medikamente zu, welche trotzdem nicht wegzudenken sind wie zB. Schmerzmittel. Ich kann allerdings nicht bestätigen dass Psychopharmaka generell abhängig machen sondern habe eher gegenteilige Erfahrungen. Ausnahmen bestätigen die Regel und ich sehe gelegentlich Patienten, welchen ich dann ein Ausschleichen der Medikation über viele Monate empfehle.

Da Peter C. Gotzsche kein Psychiater ist, sieht er nur eine Seite des gesamten Themas. Aus der Praxis kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass moderne Psychopharmaka für viele Patienten ein Segen sind und nicht umsonst in früheren Zeiten psychisch schwerkranke Menschen oft viele Jahre ihres Lebens in psychiatrischen Anstalten verbringen mussten.