Schlafstörungen - nichtorganische Insomnie
Was sind Schlafstörungen?
Unter Schlafstörungen versteht man psychisch bedingte Zustandsbilder mit einer Störung von Dauer, Qualität oder Zeitpunkt des Schlafes, die deutlichen Leidensdruck verursacht oder sich störend auf die soziale Funktionalität und Leistungsfähigkeit auswirkt. Man unterscheidet die akute oder Kurzzeit-Insomnie ab einer Dauer von 4 Wochen und die chronische Insomnie ab einer Dauer von mehr als 3 Monaten. Verursachende organische Faktoren fehlen, wie z.B. neurologische oder andere internistische Krankheitsbilder, Einnahme von psychotropen Substanzen oder eine Medikation. Die Schlafforschung konnte übrigens zeigen, dass es seit vielen Jahren zu einem negativen Schlaftrend kommt. Dies bedeutet, dass wir Menschen im Durchschnitt immer weniger schlafen als noch vorige Generationen. Mögliche Ursachen sind zunächst künstliches Licht am Abend und zunehmende Möglichkeiten der Unterhaltungsindustrie, intensiver Gebrauch von Smartphones etc. Es ist auch wichtig zu wissen was ein normaler Schlaf ist, nicht jede Abweichung ist automatisch Krankhaft. Zunächst muss gesagt werden, dass sich unser Schlaf im Laufe des Lebens stark verändert. Mit zunehmendem Alter benötigen wir nicht mehr so viel Schlaf wie in jungen Jahren und auch die Schlaftiefe nimmt natürlicherweise ab. Auch untertags ist unsere Wachheit zyklischen Schwankungen unterworfen und viele Menschen bemerken beispielsweise um die Mittagszeit einen gewissen "Knick". Das moderne Leben steht außerdem oft im Widerspruch mit unseren Schlafgewohnheiten und normalen inneren Zyklen (sog. zirkadiane Rhythmen). So wurden zum Beispiel Studien mit Schulkindern durchgeführt bei welchen der tägliche Schulbeginn um eine Stunde nach hinten verschoben wurde. Das Ergebnis bestand in einer signifikanten Verbesserung des Notendurchschnittes im Beobachtungszeitraum! Vereinzelte unruhige oder nicht erholsame Nächte kommen häufig vor und benötigen meist keine weiteren Maßnahmen. Durch die erwähnte Veränderung der Schlaftiefe im Laufe des Lebens kommt es zu gehäuftem nächtlichen Erwachen. Wichtig ist, dass ein zeitnahes Wiedereinschlafen möglich ist und der Schlaf als grundsätzlich erholsam erlebt wird. Viele Patienten die beim Arzt über Schlafprobleme klagen, bezeichnen ihren Schlaf beim gezielten Nachfragen dennoch als erholsam! Da diese wichtige Frage von Ärzten oft nicht gestellt wird, werden häufig den Schlaf fördernde Medikamente unnötigerweise verordnet. Einige Experten haben außerdem darauf hingewiesen, dass Schlafmittel keinen grundsätzlich gesundheitsfördernden Effekt haben beziehungsweise Belege dafür fehlen. Dennoch stellen Schlafmittel eine wichtige Gruppe von Arzneimitteln dar, welche Betroffene oft als großen Segen erleben durch eine verbesserte Lebensqualität. Man könnte einen Vergleich mit Schmerzmitteln herstellen wo auch die Devise gilt "je weniger desto besser". Bei nichtorganischen Schlafstörungen sind übrigens auch bei langer Dauer keine körperlichen Schäden zu erwarten, was eine häufige Befürchtung von Betroffenen ist.
Warum bekommt man Schlafstörungen?
Schlafstörungen sind häufig Begleiterscheinungen bei psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen. Auslöser sind vor allem bei kürzer dauernden Schlafstörungen meist belastende Lebenssituationen. Aber auch unregelmäßige Schlafenszeiten, eine unzureichende Schlafhygiene und äußere Faktoren wie Lärm, eine ungünstige Raumtemperatur oder ein unbequemes Bett können zur Entstehung und Aufrechterhaltung einer Insomnie beitragen.
Ein wesentlicher Faktor besteht bei längeren Schlafstörungen darin, dass Patienten eine zunehmende Erwartungsangst entwickeln die sich wiederum ungünstig auf den Schlaf auswirkt.
In einigen Fällen finden sich keine eindeutigen Faktoren, welche die Schlafstörungen erklären könnten.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Es existieren sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Therapien. Stark wirksame Medikamente sind in der Regel nur für eine kurzzeitige Verschreibung zugelassen weshalb nicht-medikamentöse Ansätze von großer Bedeutung sind. Diese umfassen zunächst die Aufklärung über den normalen Schlaf (s. oben) und Förderung der allgemeinen Schlafhygiene (ausreichende körperliche Aktivität am Tag, Einschlafrituale, fixe Schlafzeiten etc.). In weiterer Folge ist das Erlernen von sog. Entspannungstechniken (autogenes Training, progressive Muskelrelaxation) sinnvoll. Im Einzelfall können auch psychologische Ansätze hilfreich sein (z.B. paradoxe Intervention).
Welche Medikamente kommen zum Einsatz?
Benzodiazepine
Benzodiazepine spielen generell eine wichtige Rolle in der Medizin, insbesondere in Notfallsituationen. Für Schlafstörungen zugelassene Substanzen sind in der Regel aus eben dieser Gruppe und die Verordnung darf aufgrund des starken Abhängigkeitspotenzials nur kurzfristig erfolgen. Der Name bezieht sich auf die chemische Struktur, typische Merkmale sind die dämpfende, krampf- und angstlösende Wirkung und der rasche Wirkeintritt. Nebenwirkungen können eine Übersedierung sein, selten auch eine "paradoxe" Reaktion mit gegenteiliger Wirkung (Unruhe, Schlaflosigkeit, Ängste). Zu nennen ist außerdem eine erhöhte Sturzgefahr vor allem bei älteren Menschen und allgemein eine mögliche Beeinträchtigung der Verkehrstauglichkeit. Benzodiazepine existieren schon Jahrzehnte und waren seinerzeit nach der Entdeckung Kassenschlager. Die Verschreibung wird heutzutage wesentlich kritischer betrieben da sich Ärzte der Abhängigkeitsproblematik bewusst sind. Beispiele: Diazepam, Alprazolam, Lorazepam, Oxazepam. Eine gängige Substanz, die trotz ähnlicher Wirkprinzipien formal nicht den Benzodiazepinen zugerechnet wird ist Zolpidem.
Sedierende Antidepressiva
Einige Antidepressiva werden aufgrund ihrer dämpfenden Komponente auch bei Schlafstörungen verordnet. Der Vorteil ist gegenüber Benzodiazepinen das fehlende Suchtpotential. Seitens der Schlafmedizin wird hier vorrangig Mirtazapin empfohlen wobei oft schon 7,5mg abends ausreichen. Trotz sehr guter Verträglichkeit verursacht Mirtazapin häufig Heißhungerattacken und kann daher zu einer Gewichtszunahme führen. Weitere in Österreich beliebte Medikamente aus dieser Gruppe sind Trazodon (Trittico®) und Amitriptylin (Saroten®). Trazodon kann je nach Dosierung auch zu Übersedierung führen und als Nebenwirkung können unter anderem Kopfschmerzen auftreten. Amitriptylin zählt zu den alten und aufgrund der chemischen Struktur als "Trizyklika" bezeichneten Antidepressiva. Es besitzt neben der antidepressiven Wirkung auch eine schmerzdistanzierende Komponente und findet manchmal auch noch bei Migränepatienten Einsatz. Das Nebenwirkungsprofil gilt im Vergleich zu den modernen Antidepressiva als ungünstig. Wie die meisten älteren Substanzen ist auch Amitriptylin nicht so sicher, was vor allem bei einer Überdosis in suizidaler Absicht bedeutsam ist. Häufige Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Kreislaufprobleme, Schwitzen, Sehstörungen und Gewichtszunahme.
Antipsychotika (Neuroleptika)
Antipsychotika sind in der Regel für schwere psychische Störungen zugelassen wie zum Beispiel Schizophrenie oder teilweise bipolare Störungen. Man unterscheidet die alten "typischen" Neuroleptika von den modernen, auch "Atypika" genannt. Aufgrund fehlenden Abhängigkeitspotentials und meist guter Verträglichkeit werden Antipsychotika oft außerhalb ihrer Zulassung zur Behandlung von Schlafstörungen verordnet (sog. "off-label" use). In Österreich kommen hierbei insbesondere Quetiapin (Seroquel®), Olanzapin (Zyprexa®) und Prothipendyl (Dominal®) zum Einsatz. Aufgrund ihrer eigentlichen Wirknatur verringern Antipsychotika auch einen oft quälenden Grübelzwang, was wiederum das Einschlafen begünstigt. Bei der Verschreibung von Antipsychotika sollte der Patient aufgeklärt werden über die "off-label" Verordnung. Unterschiede zu den zugelassenen Substanzen bestehen insbesondere bei den Nebenwirkungen. Außerdem werden bei den meisten Antipsychotika unter anderem EKG-Kontrollen des Herzens empfohlen. Bei einer Langzeit-Einnahme kann es zu gravierenden Spätfolgen in Form von schwer behandelbaren Bewegungsstörungen kommen, weil Antipsychotika in den für Bewegungsabläufe wichtigen Dopaminstoffwechsel eingreifen. Allerdings kann dies generell als unwahrscheinlich betrachtet werden, da die Dosierungen die für Schlafstörungen benötigt werden im Vergleich zu Psychosen sehr niedrig sind. Weitere wichtige Nebenwirkungen können u.a. sexuelle Störungen, Muskelsteifigkeit, Gewichtszunahme oder starke Unruhe (Akathisie) sein.
Phytopharmaka (pflanzliche Mittel)
Pflanzliche Mittel sind nicht zu verwechseln mit Homöopathischen Mitteln. Erstere beinhalten pflanzliche Wirkstoffe wie beispielsweise Extrakte aus der Passionsblume, aus Baldrian oder Hopfen. Die Verträglichkeit ist im allgemeinen noch besser und die Präparate können ohne Rezept in der Apotheke gekauft werden.
Homöopathie
Homöpathische Mittel (Globuli) werden hierzulande im stationären Krankenhausbetrieb nicht verordnet. Die Wirksubstanzen können durch die Verdünnung nicht mehr nachgewiesen werden und hinsichtlich des Nutzens existiert schon lange ein Glaubenskrieg.
Sonstige Substanzen
Ein noch relativ neuer Wirkstoff ist das Melatonin, welches sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Melatonin ist ein natürlich im Körper/ Gehirn vorkommender Botenstoff und spielt für die Tag-Nacht Rhythmik eine wichtige Rolle. In Österreich ist es ohne Rezept in der Apotheke erhältlich, die Studienlage ist insgesamt noch dünn.
In diesem Zusammenhang ist auch der Wirkstoff Agomelatin zu nennen, der eigentlich zu den Antidepressiva gehört. Agomelatin hat sich in Österreich nicht durchgesetzt und die Krankenassen übernehmen die Kosten nur nach chefärztlicher Bewilligung.
Schlaflabor
Zur Abklärung von Schlafstörungen kann der Arzt den Patienten auch zum Schlaflabor zuweisen. Der Schwerpunkt liegt hier vor allem auf der Suche nach organischen Ursachen. Hierzu wird der Patient verkabelt und auch mit einer Videokamera gefilmt. Zahlreiche Körperfunktionen werden hierbei automatisch protokolliert wie zum Beispiel die Atmung, Hirnströme, Augenbewegungen, Muskelspannung, Beinbewegungen etc. Ein häufiger Grund zur Zuweisung ist die Abklärung des sog. Schlafapnoe-Syndroms bei dem es zu sehr langen "Aussetzern" der normalen Atmung kommt.

Schlafstörungen stellen für die Betroffenen eine große Herausforderung dar. Es existieren hilfreiche Verhaltensregeln.

Weiterführende Informationen:
Depressionen
Depressionen sind mittlerweile eine Volkskrankheit und verursachen einen Verlust von Lebensqualität. Es existieren relativ klare Kriterien für die Diagnose.
Angststörungen
Es werden zahlreiche Varianten von Angststörungen eingeteilt. Beispiele sind die Panikstörung, Sozialphobien oder die generalisierte Angstsörung.